Sonja Wenzel
Der unmittelbar neben der Marienkirche gelegene Mehrgenerationen-Treff war kürzlich Schauplatz eines bemerkenswerten Ereignisses im Ablauf dieses Jahres: Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré, aufgeschlossen und präsent, zugewandt und hoch interessiert, besuchte diese Einrichtung des Diakonischen Werks Husum im Rahmen ihrer Tour durch das Land zwischen den Meeren. Die Tour steht unter dem Motto „Schleswig-Holstein. Sozial. Stark.“
„Ich sehe mich im Land um und informiere mich darüber, was überall geschieht und welche Aufgaben und Herausforderungen es gibt“, sagte die charmante Ministerin. Es ist ihr ein Anliegen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, gleichgültig, ob jung oder alt. Einen speziellen Schwerpunkt legt sie auf die Seniorenpolitik, um dem Phänomen „Einsamkeit“ entgegenzuwirken, das für viele Menschen im vorgerückten – und sogar jüngeren – Alter bedrängend sein kann. Ein großer Teil von ihnen gleite in die Vereinsamung, so Aminata Touré, besonders dann, wenn ein Partner aus einer klassischen, lebenslangen Zweierbeziehung versterbe.
Um dieser Problematik die Stirn zu bieten, ist das Diakonische Werk Husum ein zuverlässiger Partner, wie dessen Geschäftsführer Volker Schümann sagte: „Wir widmen uns im Mehrgenerationen-Treff dem Thema Vereinsamung, einer großen Herausforderung unserer Zeit. Wir möchten gemeinsam ansetzen und unsere Kräfte bündeln. Mit dieser Einrichtung, die viele Angebote in sich vereinigt, haben wir gemeinsam mit der Kirchengemeinde Husum einen besonderen, schönen Ort geschaffen.“ Pastor Andreas Raabe bewertete die enge Verzahnung von Kirche, Diakonie und Verwaltung äußerst positiv.
„Hier ist immer etwas los, das Haus lebt von und mit seinen Besucherinnen und Besuchern“, erklärte die Leiterin des Treffs, Gyde Lorenzen. Sie fasste kurz die bewegte Geschichte des Hauses zusammen, das fast 100 Jahre lang eine „Warteschule“ – einen Kindergarten – beherbergte. „Wir beobachten aufmerksam, welche neuen Wünsche und Ideen es gibt und wo wir ansetzen können“, sagte dessen Chefin, Bereichsleiterin Heike Bayer. „Wir streben die Weiterentwicklung zu ‚Pop-up-Räumen‘ an.“ So müsse nicht für jedes Projekt und jeden Wunsch ein extra Angebot kreiert werden: „Wir können vorhandene ‚Räume‘ und Strukturen sinnvoll nutzen.“ Sie nannte ein paar Zahlen: Im Bereich des Mehrgenerationenhauses und -Treffs seien etwa 80 Personen engagiert, rund 40 Angebote werden von bis zu 300 Menschen regelmäßig besucht. „Wir erleben unterschiedliche Milieus, eine große Varietät von Geschichten und persönlichen Hintergründen und erhalten den Durchschnitt durch die gesamte Gesellschaft.“ Der gute, unbedingt zu erhaltende Genius dieses Hauses speise sich aus dem Gespräch, der Diskussion und der gemeinsamen Verhandlung: „Nach Lockdowns und Corona haben viele von uns die Fähigkeit verloren, Meinungen auszuhandeln. Dies aber ist eine wichtige Säule unserer Gesellschaft. Wenn die Gesellschaft es verlernt Aushandlungsprozesse zu führen, entsteht eine schweigende Masse, die einer Demokratie abträglich ist.“
Eine weitere wichtige Säule der Arbeit im Mehrgenerationen-Treff ist auch das Ehrenamt: Heike und Jörg Horn, Heidi Cornelsen und Susanne Meier betätigen sich in verschiedenen Projekten ehrenamtlich, beispielsweise beim Spielenachmittag oder beim „Zugezogenentreff“, die oftmals viel Zeit in der Vor- und Nachbereitung erforderlich machen. Bedeutsam und bereichernd seien die Gemeinschaft, die Gespräche und die vielen Anregungen, die jedes Mal entstehen. „Man gibt viel und erhält viel zurück“, formulierte es die Ministerin, die selbst früher im Ehrenamt tätig war. Daniel Thomsen, Leiter des Fachbereichs Jugend, Familie und Bildung beim Kreis Nordfriesland, dankte allen Ehrenamtlichen: „Wertvolle Ressourcen sind in unserer Region zu finden und werden zahlreich aktiviert“, sagte er. Das Kostbarste sei die persönliche Zeit, die in das Ehrenamt einfließe. Geplant sei, das Thema „Ehrenamt“ politisch aufzugreifen, um ehrenamtlich Tätigen einen Benefit zurückzugeben. Ehrenamt müsse Räume und Ideen für Selbstwirksamkeit haben, so Volker Schümann. Auch spielen viele niedrigschwellige Angebote für die Integration aller Menschen eine große Rolle, denn so können demokratische Prozesse positiv beeinflusst werden. „Ich habe die Menschen hier sehr offen für neue Wege erlebt. Die Gesellschaft ist im Wandel; so wird Diversität immer wichtiger. Auch wer nicht zur Norm gehört, muss gehört werden“, erklärte Aminata Touré abschließend. Doch die schleswig-holsteinische Offenheit dem Leben gegenüber sei, auf ganz Deutschland gesehen, durchaus keine Selbstverständlichkeit. Dem Mehrgenerationen-Treff wünschte sie, „dass stets alle Finanzierungsfragen geklärt sind, aber im Besonderen, dass der Treff bestehen bleibt, denn er kann eine Orientierung für andere sein – wir brauchen solche Stellen an vielen weiteren Orten.“ In dem hübschen, mehrere Jahrhunderte alten Backsteinhaus vibriert das Leben – es ist zwar divers, doch geschieht alles in Gemeinschaft. „Hier wird eine unfassbar wichtige Arbeit geleistet“, lobte Aminata Touré. „Wir nehmen viele Anregungen aus diesem Besuch mit.“